Liegt Europa noch im Trend?
„Die EU ist nicht perfekt, aber es ist die beste Idee, die wir hatten“ mit diesem Zitat von Jürgen Klopp, Trainer vom FC Liverpool und ehemaliger Trainer von Borussia Dortmund begann der Vortrag von Prof Dr. Eckhardt Stratenschulte im Trend-Center der Parador GmbH in Coesfeld.
Eingeladen zu der Veranstaltung „Liegt Europa noch im Trend? In welche Richtung geht die Europäische Union?“ hatten der Kreis Coesfeld und das Europe Direct Informationszentrum Steinfurt in Kooperation mit der WFC – Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld GmbH. In seiner Begrüßung verdeutliche Lubert Winnecken Geschäftsführer der Parador GmbH, wie wichtig Handel und damit der Binnenmarkt für ein mittelständisches Unternehmen ist. Der größte Umsatz seiner Firma würde in der Europäischen Union getätigt, so sei Parador Marktführer in Spanien und er bedauere den Austritt Großbritanniens, der für sein Unternehmen neue Herausforderungen bringe.
Vieles ist in der Europäischen Union für uns so selbstverständlich geworden, nahm Dr. Jürgen Grüner Geschäftsführer der WFC den Faden auf. Bürokratie gibt es genug, aber vieles ist einfacher geworden. Ob ein Kurztrip nach Barcelona, ein romantisches Wochenende in Paris, ein Studiensemester in Wien oder kurz zum Schoppen über die Grenze oder die Abschaffung der Roaming-Gebühren, wir genießen die Freiheiten des Binnenmarktes, das grenzenlose Reisen, die günstigen Telefonate und den Euro, der in so vielen Ländern gesetzliches Zahlungsmittel ist. Vergessen sind die langen Staus, beispielsweise an der Grenze zu den Niederlanden und der Werteverlust beim Tausch von D-Mark in Gulden. Aber wir sollten uns für die Zukunft nicht zu sicher sein und daher appellierte er an die Gäste, im nächsten Jahr am 26. Mai 2019 an der Wahl zum Europäischen Parlament teilzunehmen. Danach führte Marina Kallerhoff vom Kreis Coesfeld durch den Abend.
Lange stand Europa im Mittelpunkt. Aber das ist einer Änderung unterworfen, wofür Prof. Dr. Stratenschulte vier Trends identifizierte:
Trend 1 Globalisierung
Handel findet weltweit statt, die Verflechtung untereinander wachsen, beschleunigt durch das Internet. Informationen gehen heute in sekundenschnelle um die Welt
Trend 2 Migration
58 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Sobald der Wohlstand steigt, machen sich Menschen in ärmeren Ländern auf dem Weg. Erst steigende Einkommen versetzen Familien in die Lage, ein Mitglied in reichere Länder zu schicken als Investition in die Zukunft.
Trend 3 Klimawandel
Umweltzerstörung ist ein globales Problem. Extreme Wetterphänomene nehmen zu und führen zu Naturkatastrophen, die Landstriche unbewohnbar machen, was wiederum Migrationsströme auslöst.
Der Welterschöpfungstag misst, wie sich der Lebensstil der Menschheit auf die Regenerationsfähigkeit der Erde auswirkt.
1961 spielte er noch keine Rolle, 1971 fiel er auf den 21. Dezember, im Jahr 2000 auf den 1. November und 2018 lag er schon auf den 2. August. Wenn es so weiter geht bräuchten wir 2030 zwei Erden.
Trend 4 Sicherheit
Dazu gehören Terrorismus, ebenso wie Taschendiebstahl, der grenzüberschreitend organisiert wird.
Es gibt das Unbekannte, das wir kennen. z.B. Digitalisierung: Die Zeit, dass die Bahn von Menschen gefahren wird, geht zu Ende.
Dann gibt das Unknown Unknowns: das unbekannte Unbekannte. Vor 40 Jahren hat sich noch niemand das Internet vorstellen können, dass wir heute wie selbstverständlich nutzen.
Trends bieten auch Chancen, dazu brauchen wir Zuversicht. Jede Generation hat ihre Herausforderungen, die sich leichter mit Bündnispartner bewältigen lassen. Glauben Sie, wandte sich Stratenschulte an das Publikum, das Jean-Claude Juncker als Premier von Luxemburg vom Ministerpräsidenten Xi Jinping im China empfangen worden wäre, aber als Präsident der EU-Kommission sieht das ganz anderes aus.
Zusammenarbeit in der Europäischen Union
Die Zusammenarbeit in der Europäischen Union ist die einzige Antwort auf die Trends, auch auf die Trends, die wir noch nicht kennen. Wir brauchen Partner, die mit uns verbunden sind. Kompromiss ist dabei die Herausforderung, der leichter fällt, wenn viele Puzzleteile auf den Tisch liegen. Es geht um gemeinsame Werte und Interessenausgleiche. Krisen waren schon immer fester Bestandteil der EU, an deren Rande es auch heute noch Kriege gibt. In der Ukraine sterben täglich Menschen in Kampfhandlungen. Auch in der EU gibt einen erodierenden Willen der Zusammenarbeit.
Integrationsmodel
Ein realistisches Integrationsmodell, das bei der Berücksichtigung der gegebenen Interessen europäischer Mitgliedstaaten zukünftig die Struktur der Europäischen Union prägen könnte, ist nach Meinung von Prof. Stratenschulte das Modell der differenzierten Integration, ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Intensität. Wer weniger machen will, bekommt auch weniger Mittel. Wer in der 2. Liga spielt, bekommt nicht den Lohn der 1. Liga, EU ist kein Selbstzweck. Bei dem Model kooperieren Mitgliedstaaten in unterschiedlichen Bereichen miteinander, in denen die Zusammenarbeit erfolgreicher macht. Erfolg macht sexy. Wir müssen auspassen, dass wir nicht die Zukunft Europas verbaseln. Frankreichs Präsident Macron macht tausend Vorschläge, aber Deutschland ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Viele Identitäten stören sich nicht an einander. Man kann Deutscher und Europäer sein. Dazu bildet ein gesundes Nationalitätsbewusstsein kein Gegensatz. Auch eine Gemüsesuppe schmeckt mit vielen Zutaten besser.
Europe Direct Informationszentrum Steinfurt
Zum Abschluss stellte Annerose Pott, das Europe Direct Informationszentrum Steinfurt vor, eins von 46 Europe Direct Informationszentren in Deutschland. Ca. 350 gibt es in ganz Europa. Sie sind von der Europäischen Kommission beauftragt, Europa den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen. Dazu steht ihnen eine reichhaltige Palette an Broschüren zur Verfügung. Die Informationszentren sind die Anlaufstelle für allgemeine Frage zur Europäischen Union und leiten ihre Meinung / Anregungen / Kritik an die EU-Kommission weiter. Ein Schwerpunkt der Arbeit sind Veranstaltungen zu Europäischen Themen.