#Chefsache Digitalisierung: HR-Analytics

veröffentlicht am 21. März, 2022
Chefsache für HP (1)

Kann ein Algorithmus im Recruiting besser Kandidaten auswählen, als es ein Mensch könnte?

Ein Einblick in die Thematik HR-Analytics mit Prof. Dr. Frank Lattuch und Dr. Stella Lind

 

Würden Sie die Vorstellungsgespräche Ihres Unternehmens durch einen Avatar führen lassen? Können Personalverantwortliche mit Hilfe von HR Analytics bessere Entscheidungen treffen? Dieser Fragestellung widmete sich die Online-Veranstaltung „Möglichkeiten im Recruiting durch HR Analytics“ aus der Reihe #Chefsache Digitalisierung am 16. März 2022. Eingeladen hierzu hatten die Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt gemeinsam mit der Initiative TRAIN. Gut 60 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter nahmen teil.

In einem kurzweiligen Impuls erläuterten Prof. Dr. Frank Lattuch (FH Münster) und Dr. Stella Lind (KPMG Frankfurt) die Vor- und Nachteile computerunterstützter Verfahren im Recruiting. „Der Mensch ist in seiner Entscheidungsfindung immer auch durch eine subjektive Wahrnehmung beeinflusst. Ein Computer wiederum ist immer (nur) so gut wie er es „gelernt“ hat. Eine gut programmierte Software kann visuelle Eindrücke erkennen und einordnen sowie Sprache und Ausdrucksweise analysieren. Bei der Suche nach einer Führungskraft beispielsweise wird geprüft, welche Worte wie oft im Bewerbungsgespräch verwendet werden z.B. Vision, Ziel, Vertrauen, Team etc. Der Mensch kommuniziert immer – verbal wie nonverbal. Ein Computer hat die Rechenkapazität, um all diese Signale auszuwerten. Aber eine Software kann manche vom Bewerber möglicherweise absichtlich inszenierte Persönlichkeitsmerkmale nicht fehlerfrei einschätzen. Eine Personalauswahl über einen Algorithmus kann hierbei zu einer systematischen Verzerrung führen“, so Prof. Lattuch.

Einige Vorteile von evidenzbasierter HR Anlalytics fassten die Referenten wie folgt zusammen: „Es ist ein Ansatz, um den Bewerbungsprozess zu verbessern, (neue) Talente zu finden, Kompetenzlücken zu schließen und Diversity im Unternehmen zu verbessern. Diversity kommt nicht von alleine!“

Eine Umfrage unter den Teilnehmenden „Würden Sie lieber von HR-Analytics oder von menschlichen Recruitern bewertet werden?“ wurde ziemlich eindeutig beantwortet und entspricht somit dem, was auch Studienergebnisse belegen: Bewerber bevorzugen ein menschliches statt eines algorithmischen Gegenübers.

Ein Teilnehmer brachte es wie folgt auf den Punkt: Corporate World versus KMU.

In großen Konzernen insbesondere in den USA und in Asien – so die Referenten – werde HR Analytics zu Beginn bereits vielfach eingesetzt. In den nachgelagerten Schritten des Bewerbungsprozesses werden Sie durch nicht-computergestützte Recruting-Verfahren ergänzt. Verschiedene Maßnahmen lassen sich gut kombinieren, um eine hohe Aussagekraft zu erlangen. Für mittelständische Unternehmen eignen sich jedoch auch sehr gut kognitive Leistungs- und Persönlichkeitstests. Unternehmen, die ihre Bewerbungsprozesse optimieren wollen, rät die Psychologin Dr. Stella Lind, zunächst mit evidenzbasierten Verfahren zu starten und diese auf das eigene Unternehmen zugeschnitten weiterzuentwickeln. Hier gibt es bereits schon digital-gestützte Lösungen. Der Einsatz von HR-Analytics sei ein Change Prozess – die Mitarbeitenden mitzunehmen, sei auch hierbei enorm wichtig.

FAZIT der beiden Experten:

  • Sorgen Sie für digital getriebene Fachkompetenz im Recruiting-Bereich. Beziehen Sie hierbei Themen wie Diagnostik und validierte Testverfahren systematisch mit ein.
  • Verwenden Sie einen evidenzbasierten Ansatz und verstehen Sie die Wissenschaft dahinter. Nutzen Sie weiterhin belegte Verfahren, wie z.B. wissenschaftlich fundierte kognitive Leistungstests und Persönlichkeitstests.
  • Wenn Sie neue KI-basierte Verfahren interessieren, prüfen Sie diese gemäß Ihrer eigenen Anforderungen und ziehen Sie externe Experten zu Rate.
  • Entscheidungen über Menschen und Ihre Zukunft werden immer von Menschen getroffen und erfordern die Übernahme von persönlicher, zwischenmenschlicher Verantwortung. Künstliche Intelligenz, geeignete Algorithmen und Big Data können hierbei unterstützen.
  • Seien Sie sich des Widerstands bei der Umsetzung evidenzbasierter Ansätze bewusst.

Abschließend bedankte sich WESt-Geschäftsführerin Birgit Neyer bei den beiden Referenten für die hochinteressanten Einblicke. „Die Welt dreht sich weiter und es ist gut, sich mit neuen Ansätzen auseinanderzusetzen, so Neyer „Wenn man weiß, was dahintersteckt, kann man entscheiden, ob es für das eigene Unternehmen sinnvoll ist.”

#Chefsache Digitalisierung ist eine gemeinsame Veranstaltung der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt und der Initiative TRAIN – Transfer und Innovation im Kreis Steinfurt. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe werden verschiedenste Themen rund um die Digitalisierung in Unternehmen aufgegriffen und mit Experten diskutiert. Ziel ist es zum einen, Impulse zu setzen, zum anderen den Erfahrungsaustausch mit Entscheidungsträgern aus verschiedensten Branchen zu fördern.

Informationen zu kommenden Veranstaltungen und Anmeldung über die WESt mbH (andrea.koening@westmbh.de, 02551/69-2728) oder die Initiative TRAIN (luana.sommer@ta.fh-muenster.de, 02551/962650). Online unter www.fh-muenster.de/transfer-aktuelles oder www.westmbh.de/news-events

 

Teilen Sie den Artikel und empfehlen Sie diesen weiter!

Weitere Archivinhalte