EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen 24 Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, ein. Sie haben die neuen EU-Telekommunikationsvorschriften nicht umgesetzt

Am 4. Februar 2021 hat die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen 24 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, eingeleitet, weil sie die neuen EU-Telekommunikationsvorschriften nicht umgesetzt haben. Der europäische Kodex für die elektronische Kommunikation, der im Dezember 2018 in Kraft getreten war, modernisiert den europäischen Rechtsrahmen für die elektronische Kommunikation. Er soll die Wahlmöglichkeiten und Verbraucherrechte stärken, höhere Standards für Kommunikationsdienste gewährleisten sowie Investitionen für mehr Konnektivität und digitale Innovation gefördert werden.

Die Frist für die Umsetzung des Kodex in nationales Recht endete am 21. Dezember 2020. Bislang haben nur Griechenland, Ungarn und Finnland der Kommission mitgeteilt, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie getroffen haben und damit ihre Umsetzung für vollständig erklärt.

Daher richtete die Kommission förmliche Aufforderungsschreiben an Belgien, Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Estland, Irland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und Schweden, in denen sie diese Länder auffordert, unverzüglich alle einschlägigen Maßnahmen anzunehmen und zu übermitteln. Die Mitgliedstaaten müssen nun binnen zwei Monaten darauf reagieren.

Hintergrund

Der europäische Kodex für die elektronische Kommunikation, mit dem der Rechtsrahmen für den europäischen Telekommunikationssektor mit den neuen Herausforderungen in Einklang gebracht wird, ist im Dezember 2018 in Kraft getreten. Zwei Jahre haben die Mitgliedstaaten Zeit, um die Vorschriften umzusetzen. Es handelt sich um einen zentralen Rechtsakt, wenn es darum geht eine europäische Gigabit-Gesellschaft Wirklichkeit werden zu lassen und eine umfassende Teilhabe aller EU-Bürgerinnen und -Bürger an der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen.

Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, hat die Kommission den Prozess begleitet und umfassende Orientierungshilfen und Hilfestellung angeboten. Zusätzlich hat das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) Leitlinien für eine erfolgreiche Anwendung ausgearbeitet und veröffentlicht.

Im Einklang mit dem Kodex verabschiedete die Kommission im Dezember 2020 neue Vorschriften zur Stärkung des Wettbewerbs und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktakteure zu schaffen sowie die Verbraucher zu schützen und faire Preise und vielfältige Angebote für Internet- und Telefondienste zu ermöglichen

  • eine neue delegierte Verordnung, in der unionsweit einheitliche maximale Anrufzustellungsentgelte festgelegt werden, die sich die Betreiber untereinander für die Weiterleitung von Mobilfunk- und Festnetzanrufen zwischen ihren Netzen in Rechnung stellen dürfen;
  • eine neugefasste Empfehlung über relevante Märkte mit einer aktualisierten Liste der vorab festgelegten Märkte, die von den europäischen nationalen Regulierungsbehörden regelmäßig überprüft werden müssen.

In Erfüllung einer der Pflichten aus dem Kodex wird in der Durchführungsverordnung ein Muster für die Vertragszusammenfassung festgelegt, die Betreiber elektronischer Kommunikationsdienste (z. B. Telefon, Nachrichtenübermittlung und Internetanschluss) den Verbrauchern in der EU zur Verfügung stellen müssen. Die Zusammenfassung enthält die wichtigsten Vertragsbedingungen wie Kontaktdaten des Anbieters, Beschreibung des Dienstes, Geschwindigkeiten des Internetzugangs, Preis, Vertragsdauer, Verlängerungs- und Kündigungsbedingungen sowie Besonderheiten für Endnutzer mit Behinderungen.

Ebenfalls im Einklang mit dem Kodex hat die Kommission einen Bericht an das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union über das wirksame Funktionieren der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112 in der Praxis vorgelegt.

EU-weite Anrufzustellungsentgelte

Die Kommission erließ am 18. Dezember eine delegierte Verordnung, in der für Festnetze und Mobilfunknetze unionsweit einheitliche maximale Anrufzustellungsentgelte festgelegt werden. Hierbei handelt es sich um das Entgelt, das sich die Betreiber untereinander für die Weiterleitung eines Anrufes berechnen. Mithilfe dieser maximalen Entgelte soll ein wettbewerbsfähigeres, grenzübergreifendes Marktumfeld entstehen, das letztlich durch niedrigere Preise und vielfältigere Angebote für Festnetz- und Mobilfunkanrufe den europäischen Verbrauchern zugutekommt.

Bei Mobilfunkanrufen wird das einheitliche maximale Zustellungsentgelt von 0,2 Cent pro Minute schrittweise von jetzt bis 2024 erreicht. Dieser Gleitpfad wird eine rasche Umsetzung ermöglichen und soll gleichzeitig erhebliche Störungen für die Betreiber vermeiden. Nach dem Übergangszeitraum 2021–2023 müssen dann ab 2024 alle Betreiber in der Union dasselbe einheitliche maximale Entgelt von 0,2 Cent pro Minute anwenden.

Bei Festnetzanrufen beträgt das EU-weit einheitliche maximale Zustellungsentgelt 0,07 Cent pro Minute. Wegen der erheblichen Unterschiede zwischen den derzeitigen Zustellungsentgelten einiger Mitgliedstaaten und dem endgültigen Entgelt ist das Jahr 2021 als Übergangszeitraum vorgesehen, um eine schrittweise Anpassung zu ermöglichen. Ab 2022 wird dann für alle Festnetzbetreiber ein maximales Festnetzzustellungsentgelt von 0,07 Cent pro Minute gelten.

Weitere Informationen zur Delegierten Verordnung über die EU-weiten maximalen Zustellungsentgelte finden Sie hier.

Neufassung der Empfehlung über relevante Märkte

Außerdem hat die Kommission ihre Empfehlung über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die noch eine Regulierung auf EU-Ebene erfordern, aktualisiert. Die Empfehlung ist ein wichtiges Regulierungs- und Harmonisierungsinstrument, das es den nationalen Regulierungsbehörden (NRB) ermöglicht, ihre Regulierungsmaßnahmen auf diejenigen Märkte zu konzentrieren, auf denen noch kein wirksamer Wettbewerb besteht und ein erhebliches Marktversagen andauert. Ziel ist es daher, für Wettbewerb zu sorgen, Anreize für Investitionen in Netze zu schaffen und den größtmöglichen Nutzen für die Verbraucher zu erreichen. Dank der Regulierung der Vorleistungsmärkte zwischen Anbietern von Kommunikationsdiensten werden die Verbraucher von besseren Preisen, besseren Diensten und neuen Angeboten profitieren können.

Dies ist die vierte Überprüfung der Empfehlung. Nun werden darin nur noch zwei Vorleistungsmärkte aufgeführt, nämlich der Vorleistungsmarkt für den an festen Standorten lokal bereitgestellten Zugang (für Massenmarkt-Breitbanddienste) und der Vorleistungsmarkt für dedizierte Netzanbindungskapazitäten (für eine gewerbliche Nutzung, die eine bessere Netzanbindung erfordert).

Weitere Informationen:

Factsheet zur Richtlinie über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation

Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation

Konnektivität für eine europäische Gigabit-Gesellschaft

Neue EU-Telekommunikationsvorschriften: letzte Maßnahmen noch rechtzeitig vor Ablauf der Umsetzungsfrist – Pressemitteilung